LONGINUS - DER SPEERTRÄGER UND DIE 4 EVANGELIEN
Die von Matthäus (1) benutzte Redewendung "der Jesus bewachte" geht von einer starken Differenzierung aus, in der die Hierarchie zwischen dem Bewachten und dem Bewacher unübersehbar ist. Markus (2) relativiert das und schreibt: " ...der dabeistand - ihm gegenüber" und beschränkt sich so auf die Benennung einer einfachen Polarität. Lukas, der dritte ist schließlich völlig neutral und fügt dem Begriff Hauptmann nichts hinzu. Verbindend aber berichten alle drei von der Erkenntnis des Hauptmannes, es sei ein Gottessohn gewesen. Johannes, der Vierte steht den dreien gegenüber und greift den für die Welt typisch wertenden Begriff des Ranges eines Hauptmanns nicht auf. Während die ersten drei in ihrer Gesamtheit eine verborgene, wertende Dynamik wiederspiegeln, wird Johannes auf eine völlig andere Art und Weise konkret. Er berichtet von den Details der Handlung und nicht von den Details eines Status. Johannes berichtet konkret vom Fluss der Dinge, vom »Stoßen« und »Fließen« wenn er schreibt: "Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus." Der Fluss, die Dynamik der Dinge ist bei den ersten drei Evangelisten nur indirekt und verborgen wahrnehmbar, bei dem vierten Evangelisten, dem Johannes dagegen konkret sichtbar.
Wie sehr es um die Qualität des Wassers und somit um die Qualität des Weiblichen geht, ersieht man an der von Matthäus, Markus und Lukas unmittelbar nach dem Todeseintritt explizit genannten Gegenwart der Frauen.* Johannes hebt ebenso explizit das Weibliche hervor. Nur tut er das nicht indem er einfach statisch die dabeistehende Frauen erwähnt, sondern von einer Manifestation (4) des Geschehens und Fließens (3) redet: "Denn das ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde »Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen«. Und wiederum sagt die Schrift an einer andern Stelle: »Sie werden den sehen, den sie durchbohrt haben«". (Joh 19,36-37 ). Der Ausdruck "...den sie durchbohrt haben" ist ein Ausdruck des weiblichen Archetypus in einer sehr konkreten Form. In den apokryphen Pilatusakten werden der die Lanze führende "Soldat" und der "Hauptmann", wie soeben beschrieben und naheliegend, als eine Person angenommen und namentlich als der römische Centurio (Hauptmann) Gaius Cassius Longinus benannt.* Die mittelalterlichen Versionen der Legende lassen Longinus blind sein und durch das heilige Blut sehend werden. Die Botschaft ist: Er, der Handelnde demonstriert die Notwendigkeit der Handlung und wird durch die Handlung sehend. Das passt zu anderen überlieferten Details, demzufolge Longinus die Brust Christi "zwischen der vierten und fünften Rippe" durchbohrt haben soll.* Der Übergang von der Qualität der Vier zur Qualität der Fünf ist der Übergang von der Natura naturans (4) zur sehenden, sich bewusst werdenden Natur (5), wie es das Pyramidensymbol mit dem Auge in der Pyramidenspitze zum Ausdruck bringt. Zu diesem "durch Handeln Erwachen" passt auch die mitunter und bis ins 5. Jahrhundert zurückreichende Aussage, Longinus wäre bereits ein "schon älterer" Offizier der römischen Besatzungsarmee gewesen. Der Hinweis auf des Alter befreit ihn vom Verdacht der Leichtfertigkeit. Vielmehr wird damit deutlich gemacht, dass seine Reife und seine Erfahrung ihm seine Handlung abverlangt haben.
Die Zahl 28 ist eine "funktionelle" 4. Der Centurio Gaius Cassius Longinus war der Vollstrecker des Gesetzes - der Handelnde (" ... damit die Schrift erfüllt würde..."/ Joh 19,36-37). Man könnte ihn als das funktionierende (3) Gesetz (4) bezeichnen. Für diese Qualität steht die Zahl 28. Weshalb das so ist, lässt die nebenstehende Abbildung erkennen, in der die Zahl 28 in der Tradition der 4 (Gesetz, Materie) steht und die dritte ihrer Art und somit eine funktionelle ist. 28 ist eine vollkommene Zahl.* Sie ist in der Bibelsymbolik keineswegs unbedeutend. Man denke nur an den ersten Satz der Genesis, der aus genau 28 Zeichen (hebr. Buchstaben) besteht und somit aussagt, dass es sich hier um das Gesetz handelt, nach dem Welt und Schöpfung funktionieren. Longinus ist ein Handelnder und in der Welt in die er hineingestellt ist, ist er ein Beginnender, denn er handelt nach ganz anderen, neuen und höheren Kriterien als die anderen. Sich aus der Masse heraushebend erfüllt er zielgerichtet und bewusst das Gesetz. Dabei ist er ohne weiteres zum eigenen Opfer bereit und geht ganz bewusst den Weg des Märtyrers, um das Notwendige und Heilende (Heil) zubringen. Nichts anderes sagt auch die spätere Legendenbildung um Longinus aus. Er konfrontiert Priester und Richter mit dem Notwendigen, auch wenn ihm deshalb die Zähne ausgeschlagen werden und die Zunge rausgerissen wird. Er erbringt das Opfer und heilt anschließend seinen Richter, weil es das Gesetz des Heils so vorsieht.* Unter diesem Aspekt wird man auch den ihm nachträglich hinzugefügten Namen "Longinus" verstehen. Wörtlich übersetzt würde er »der Lange« bedeuten. Diese Übersetzung bleibt ungenügend wenn man in ihr nicht die Verbindung vom »Langen« zum »Männlichen« und darüber hinaus zum »Sich-Durchsetzenden« und seiner Notwendigkeit im Fluss des Lebens erkennt. Der katholische Gedenktag des Longinus ist der 15. März. Kontakt: stelzner☼zahlen.com [ bitte ☼ durch @ ersetzen ]
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