LONGINUS - DER SPEERTRÄGER UND DIE 4 EVANGELIEN

 

LONGINUS

(Longinos) soll der außerbiblischen Legende nach der Soldat gewesen sein, der bei der Kreuzigung die Seite Jesu mit einer Lanze durchstach und demzufolge das Blut heraustrat und als das Erlöserblut sichtbar wurde (Joh 19,34). Von diesem Vorgang berichtet aber nur einer der vier Evangelisten, nämlich der vierte, Johannes. Bei den ersten drei, Matthäus, Markus und Lukas ist davon keine Rede. Sie berichten nur von einem Soldaten im Range eines Hauptmanns (Mt 27,54; Mk 15,39; Lk 23,47), der im Angesicht des Todes Christi und dem dabei auftretenden Erdbeben augenblicklich erkannt haben soll, dass es sich bei dem Gekreuzigten um einen Gottessohn gehandelt habe.

Bei Matthäus heißt es, es ist der Hauptmann, der Jesus "bewachte" und bei Markus der Hauptmann, "der dabeistand, ihm gegenüber". Lukas verzichtet nichtwertend auf jegliche näheren Angaben und berichtet neutral und schlicht von einem "Hauptmann".

Die ersten drei Evangelisten gehen auf die Tat des Longinus nicht ein. Interessant ist lediglich ihre typisch zahlen-qualitative Darstellung der Figur des von ihnen erwähnten Hauptmannes.

   
Ölgemälde: Christus am Kreuz, J.v.Arimathia, der Gral und die Lanze

Arimathia fängt das Blut Christi im Abendmalkelch, dem heiligen Gral, Ölgemälde (1930-1941) von Franz Stassen, Museum Hanau Schloß Phillipsruhe

Die von Matthäus (1) benutzte Redewendung "der Jesus bewachte" geht von einer starken Differenzierung aus, in der die Hierarchie zwischen dem Bewachten und dem Bewacher unübersehbar ist. Markus (2) relativiert das und schreibt:  "...der dabeistand - ihm gegenüber" und beschränkt sich so auf die Benennung einer einfachen Polarität. Lukas, der dritte ist schließlich völlig neutral und fügt dem Begriff Hauptmann nichts hinzu. Verbindend aber berichten alle drei von der Erkenntnis des Hauptmannes, es sei ein Gottessohn gewesen.

Die von Matthäus (1) benutzte Redewendung "der Jesus bewachte" geht von einer starken Differenzierung aus, in der die Hierarchie zwischen dem Bewachten und dem Bewacher unübersehbar ist. Markus (2) relativiert das und schreibt: " ...der dabeistand - ihm gegenüber" und beschränkt sich so auf die Benennung einer einfachen Polarität. Lukas, der dritte ist schließlich völlig neutral und fügt dem Begriff Hauptmann nichts hinzu. Verbindend aber berichten alle drei von der Erkenntnis des Hauptmannes, es sei ein Gottessohn gewesen.

Johannes, der Vierte steht den dreien gegenüber und greift den für die Welt typisch wertenden Begriff des Ranges eines Hauptmanns nicht auf. Während die ersten drei in ihrer Gesamtheit eine verborgene, wertende Dynamik wiederspiegeln, wird Johannes auf eine völlig andere Art und Weise konkret. Er berichtet von den Details der Handlung und nicht von den Details eines Status. Johannes berichtet konkret vom Fluss der Dinge, vom »Stoßen« und »Fließen« wenn er schreibt: "Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus." Der Fluss, die Dynamik der Dinge ist bei den ersten drei Evangelisten nur indirekt und verborgen wahrnehmbar, bei dem vierten Evangelisten, dem Johannes dagegen konkret sichtbar.

Der konkrete Fluss wird in seiner Schilderung nicht nur durch das Tun des Soldaten und das Fließen von Blut und Wasser deutlich, sondern auch durch das Verhalten Christi. Christus hielt nicht am statisch-irdischen Leben fest sondern verschied freiwillig und ohne Widerstand. So war es nicht nötig, ihm die Beine zu brechen. Die Beine zu brechen würde bedeuten, die Basis auf den die Dinge stehen, zu zerstören. In der Vier (Johannes) geht keiner der beiden vorangehenden Pole (1 bzw. 2, analog dem rechten und dem linken Bein ) verloren, sondern sie sind gleichsam im neuen Zustand - in der neuen Ebene (4) - unzerstört vorhanden (s. nebenstehende Abb.).

    
Die Erde (4) als das Vollkommene (1) und Unvollkommene (2) zugleich
4 Die konkrete Erde, sowohl
... das Gesetz (1), Vollkommene als auch

... das Geteilte (2), Unvollkommene

Besonders aufschlussreich ist das Ergebnis der Verletzung, zu der es heißt, " ... sogleich kam Blut und Wasser heraus." Dass dabei Blut fließt, erwartet man. Aber die Erwähnung von Wasser erstaunt und muss eine tiefere Bedeutung haben. "Blut und Wasser" verweisen auf eine zweifache Natur, so, wie in der Zahl Vier sowohl die 1 als auch die 2 nun konkret sichtbar enthalten sind. Die erste Flüssigkeit des Lebens war das Wasser, die zweite das Blut. Beide werden hier konkret sichtbar, was das Additionsgesetz des Lebens bestätigen soll, nach dem keine der existierenden Qualitäten verloren gehen, sondern in der nächstfolgenden immer anwesend sind. Das Wasser hat darüber hinaus auch noch die Bedeutung des Weiblichen, Empfangenden, für dessen In-Erscheinung-Treten Christus mit seinem Opfer steht. Christus beschreibt den Weg des Wassers, des Empfangens. Ihm polar gegenüber steht der Weg des Feuers in Form der verletzenden Lanze, die er "begegnend empfängt". Der verletzende Soldat begegnet seinerseits seinem Gegenteil, dem fließenden Wasser.

Wie sehr es um die Qualität des Wassers und somit um die Qualität des Weiblichen geht, ersieht man an der von Matthäus, Markus und Lukas unmittelbar nach dem Todeseintritt explizit genannten Gegenwart der Frauen.* Johannes hebt ebenso explizit das Weibliche hervor. Nur tut er das nicht indem er einfach statisch die dabeistehende Frauen erwähnt, sondern von einer Manifestation (4) des Geschehens und Fließens (3) redet: "Denn das ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde »Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen«. Und wiederum sagt die Schrift an einer andern Stelle: »Sie werden den sehen, den sie durchbohrt haben«". (Joh 19,36-37 ). Der Ausdruck "...den sie durchbohrt haben" ist ein Ausdruck des weiblichen Archetypus in einer sehr konkreten Form.

In den apokryphen Pilatusakten werden der die Lanze führende "Soldat" und der "Hauptmann", wie soeben beschrieben und naheliegend, als eine Person angenommen und namentlich als der römische Centurio (Hauptmann) Gaius Cassius Longinus benannt.* Die mittelalterlichen Versionen der Legende lassen Longinus blind sein und durch das heilige Blut sehend werden. Die Botschaft ist: Er, der Handelnde demonstriert die Notwendigkeit der Handlung und wird durch die Handlung sehend. Das passt zu anderen überlieferten Details, demzufolge Longinus die Brust Christi "zwischen der vierten und fünften Rippe" durchbohrt haben soll.* Der Übergang von der Qualität der Vier zur Qualität der Fünf ist der Übergang von der Natura naturans (4) zur sehenden, sich bewusst werdenden Natur (5), wie es das Pyramidensymbol mit dem Auge in der Pyramidenspitze zum Ausdruck bringt. Zu diesem "durch Handeln Erwachen" passt auch die mitunter und bis ins 5. Jahrhundert zurückreichende Aussage, Longinus wäre bereits ein "schon älterer" Offizier der römischen Besatzungsarmee gewesen. Der Hinweis auf des Alter befreit ihn vom Verdacht der Leichtfertigkeit. Vielmehr wird damit deutlich gemacht, dass seine Reife und seine Erfahrung ihm seine Handlung abverlangt haben.

Der durch Erfahrung und Einsicht Christ gewordene Longinus ging nach Caesarea in Kappadokien. Dort lebte er 28 Jahre als Mönch. Sein Gottesbild und seine Einstellung zum Opfer waren durch das Erfahrene geprägt und in ihrer Konsequenz gefestigt. Weil er die üblichen Opfer verweigerte, nahm man ihn schließlich gefangen, schlug ihm die Zähne aus schnitt seine Zunge heraus. Vor Gericht zerschlug er Götterbilder, und die darin wohnenden Dämonen fuhren in den Richter und dessen Gesellen.

    Die Zahl 28 und ihre funktionelle Beziehung zur Zahl 4.

Longinus versprach dem Richter, der ebenfalls sein Augenlicht verloren hatte, dass er, falls er ihm dem Martyrium zuführe, im Jenseits für ihn beten würde. Der Richter zögerte nicht, Longinus sogleich zu enthaupten. Der Mörder erhielt Augenlicht und Vernunft zurück und lebte als frommer Mann fort. (nach Voragine 1994, S. 131f.). Soviel zur übermittelten Legende in der den Einzelheiten eine tiefe Bedeutung zukommt.

Die Zahl 28 ist eine "funktionelle" 4. Der Centurio Gaius Cassius Longinus war der Vollstrecker des Gesetzes - der Handelnde (" ... damit die Schrift erfüllt würde..."/ Joh 19,36-37). Man könnte ihn als das funktionierende (3) Gesetz (4) bezeichnen. Für diese Qualität steht die Zahl 28. Weshalb das so ist, lässt die nebenstehende Abbildung erkennen, in der die Zahl 28 in der Tradition der 4 (Gesetz, Materie) steht und die dritte ihrer Art und somit eine funktionelle ist. 28 ist eine vollkommene Zahl.* Sie ist in der Bibelsymbolik keineswegs unbedeutend. Man denke nur an den ersten Satz der Genesis, der aus genau 28 Zeichen (hebr. Buchstaben) besteht und somit aussagt, dass es sich hier um das Gesetz handelt, nach dem Welt und Schöpfung funktionieren.

Longinus ist ein Handelnder und in der Welt in die er hineingestellt ist, ist er ein Beginnender, denn er handelt nach ganz anderen, neuen und höheren Kriterien als die anderen. Sich aus der Masse heraushebend erfüllt er zielgerichtet und bewusst das Gesetz. Dabei ist er ohne weiteres zum eigenen Opfer bereit und geht ganz bewusst den Weg des Märtyrers, um das Notwendige und Heilende (Heil) zubringen. Nichts anderes sagt auch die spätere Legendenbildung um Longinus aus. Er konfrontiert Priester und Richter mit dem Notwendigen, auch wenn ihm deshalb die Zähne ausgeschlagen werden und die Zunge rausgerissen wird. Er erbringt das Opfer und heilt anschließend seinen Richter, weil es das Gesetz des Heils so vorsieht.*

Unter diesem Aspekt wird man auch den ihm nachträglich hinzugefügten Namen "Longinus" verstehen. Wörtlich übersetzt würde er »der Lange« bedeuten. Diese Übersetzung bleibt ungenügend wenn man in ihr nicht die Verbindung vom »Langen« zum »Männlichen« und darüber hinaus zum »Sich-Durchsetzenden« und seiner Notwendigkeit im Fluss des Lebens erkennt.

Der katholische Gedenktag des Longinus ist der 15. März. 
Die orthodoxen Christen gedenken dem Longinus am 16. Oktober.

Kontakt: stelznerzahlen.com          [ bitte durch @ ersetzen ]